Mit Mikroplastik gibt es seit über einem halben Jahrhundert Erfahrungen. Damals hat Gerhard Volkheimer an der Charité umfängliche Versuche durchgeführt: Er fütterte winzige PVC-Kügelchen von etwa 5 bis 100 Mikrometer in Sahne oder Boullion an Versuchstiere – nach heutiger Lesart also typisches Mikroplastik. Stets fand er im Blut PVC. Das Ergebnis kam überraschend, galt PVC doch als unverdaulich. Schließlich waren die Partikel tausendmal größer als das, was die Darmzotten über ihre Enterozyten überhaupt resorbieren können. Schon wenige Minuten nach Verfütterung von 200 g PVC-Pulver an Hunde wurde im Blut ein Dutzend Partikel pro Milliliter gefunden. Ebenso im Blut von Schweinen, Ziegen, Meerschweinchen und Hühnern. PVC war auch in der Galle, im Urin und in der Hirn-Flüssigkeit nachweisbar. Auch Pollen, Zellulosepartikel, Fasern und feine Kristalle wurden regelmäßig und in beträchtlicher Zahl vom Verdauungstrakt der Versuchstiere aufgenommen: Hefezellen aus frischer Bäckerhefe, Sporen, Parasiteneier, ebenso Kieselalgen, ein Schädlingsbekämpfungsmittel des biologischen Landbaus. Alles fand sich im Blut wieder und vereinzelt auch im Liquor. Der Vorgang heißt fachsprachlich Persorption im Unterschied zur Resorption einzelner Nährstoffe. Weitere Experimente zeigten, dass sich Stärkekörner exakt so wie PVC-Partikel verhalten. Der Vorteil von Stärke als natürlicher Nahrungsbestandteil ist, dass sie sich im Blut leicht mit Lugolscher Lösung anfärben und damit erkennen lässt. So wurde bereits damals das Verhalten von kugelförmigen Mikropartikeln mittels Stärkekörnern geklärt. Nach Verzehr werden die Körner überall im Körper gefunden, sie gelangen bis in die Muttermilch und sogar in den Kreislauf des Fötus. Auch diesmal wurden bei Versuchstieren wiederholt Stärkekörner in der Hirnflüssigkeit und den Kapillaren gesichtet, was erklären dürfte, warum Studenten bei Selbstversuchen nach Konsum einer Stärkesuspension über Kopfschmerzen klagten. Rohe, unverkleisterte Stärkekörner finden sich in erheblicher Menge in Weizenflocken, Vollkornprodukten und Müslis. Es wird zwar nur etwa jedes 50.000ste Körnchen persorbiert, aber bei Verzehr von 100 Gramm gelangen immer noch reichlich Stärkekörner ins Blut. Von den über 10.000 Fremdkörpern treten überschlagsmäßig mehr als 1.000 ins Hirnwasser über. Aus Versuchen mit Hunden ist bekannt, dass es in den Kapillaren zu Embolien kommt, die schließlich vernarben. Das wirft neurologische Fragen auf. Doch erst um 1990 wurde dies als eine Ursache von Demenz erwogen. Und ganz schnell wieder vergessen, weil Vogelfutter so rasend gesund für uns Menschen sein soll. Jetzt kocht das Thema erneut hoch. Nun soll Mikroplastik die Ursache von Demenz sein. In der Tat wurden allerlei Plastikteilchen im Gehirn von Verstorbenen gefunden, so eine Studie in Nature. Insgesamt, halten Sie sich fest, pro Kopf mehrere Gramm. Meistens Polyethylen, daneben auch Nylon, PVC und andere. Mehrere Gramm Plastikmüll im Oberstübchen wirken schon recht befremdlich. Das Deutsche Ärzteblatt betitelte seinen Bericht über diese Studie: „Konzentration von Mikroplastik im menschlichen Gehirn angestiegen“. Doch es handelte sich gerade nicht um Mikroplastik, sondern ausschließlich um das tausendfach kleinere Nanoplastik in Form von ultrafeinen „Fetzchen“. Angesichts der Fütterungsversuche mit den PVC-Kügelchen kann das eigentlich nicht sein. Warum fehlt hier kugelförmiges Mikroplastik? Und was ist mit den vielen anderen Materialien, die als Stäube ebenso vorhanden sein müssten, die Volkheimer im Kreislauf bzw. im Gehirn nachgewiesen hat? Trotz aller Zweifel an der Studie gehen wir mal bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, dass die Befunde zumindest einen ersten Einblick ins Gesamtbild erlauben. Die Verwechslung von Mikro- mit Nanoplastik in einem ärztlichen Fachblatt ist vermutlich eine Folge eines medialen Verwirrspiels, ausgelöst von bewusst schrägen Definitionen: Mikroplastik wurde willkürlich als Teilchen von einem tausendstel Millimeter, also einem Mikrometer bis zu einem halben Zentimeter definiert. Von unsichtbar bis so groß wie Konfetti. Diese absurde Grenzziehung lässt erkennen, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Definition handelt, sondern um eine „aktivistische“. Sonst wäre bei einem vollen Millimeter Schluss. Nun können Spendensammler Fotos mit kleingehäckselten Plastikbröseln auf einem Teelöffel oder einer Fingerkuppe zeigen. Simpler Staub aus dem Staubsaugerbeutel eignet sich schlecht für Angstpropaganda. Noch winzigere Partikel im Nanometerbereich, also unter einem Mikrometer bis hinunter zu einem Tausendstel Mikrometer sind Nanopartikel. Wird Mikroplastik zerbröselt, entstehen zahllose ultra-winzige Nanoteilchen. Deshalb sind diese naturgemäß um Zehnerpotenzen häufiger als Mikropartikel. Die meisten Experten verdächtigen das Essen als Quelle. Viele Küchengeräte wie beschichtete Pfannen, Schneidbretter und Plastikgeschirr setzen beim täglichen Gebrauch reichlich Partikel frei. Jedes Utensil, egal ob Mixer, Küchenschwamm oder Spülmaschinenschlauch hinterlässt im Essen oder auf dem Geschirr Mikroplastik, das mitverspeist wird Beim Schnibbeln von Gemüse oder Kräutern auf dem Schneidbrett gibt’s reichlich Abrieb. Jeder einzelne Schnitt setzt bei Plastikbrettchen zwischen 3 und 300 Mikropartikel frei, je nach Qualität des Kunststoffs und der Kraft der Köchin. Holz wirkt da sympathischer – aber ist es auch besser? Holzbrettchen gaben nach einer US-Studie 10mal soviele Mikropartikel ab wie solche aus Plastik. Die Holzpartikel hatten sogar die gleiche Größe und Form wie die Kunststoffteilchen. Doch vor „Mikroholz“ fürchtet sich anscheinend niemand, obwohl es mit einer ähnlichen Problematik behaftet ist. Da lob ich mir die Schnibbelsalatfabrik mit ihren Gerätschaften aus Edelstahl. Als „Mikropartikelschleudern“ gelten Mikrowellengerichte in Plastik. Schon während der Lagerung gelangen offenbar viele Teilchen in den gefrorenen Inhalt. Werden Beutel mit gefrosteter Ware gestapelt, kommt es zu winzigen Brüchen, die zur Fragmentierung des Kunststoffs führen. Bei einer Lagerung von mehr als sechs Monaten, so eine Studie aus Nebraska, „können Millionen bis Milliarden von Mikroplastik- und Nanoplastikpartikeln freigesetzt werden“. Dabei bleibt die Verpackung völlig intakt. Wurden die Packungen in der Mikrowelle erhitzt, verzehnfachte sich die Anzahl der Teilchen. Bei Einweg-Artikeln wie to-Go-Bechern und Take-away-Boxen reichen die publizierten Werte von einer Billion Nanopartikel, über Millionen Mikroteilchen bis zu einem unspektakulären Dutzend Mikropartikeln pro Gefäß. Selbst bei den gigantischen Zahlen liegen die Mengen meist im Mikrogrammbereich. Also kein Grund zur Aufregung. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass die identifizierten Mikropartikel nicht selten aus der Kleidung des Küchenpersonals stammten. Kritiker vermuten überdies, vieles sei gar kein Nano- oder Mikroplastik, sondern es handele sich um auskristallisierte Slip-Additive wie Behenamid. Also Gleitmittel, die bei der Herstellung in die Kunststoffmischung gegeben werden. Andere vermuten Oligomere, also strenggenommen auch kein Mikroplastik, sondern Reste einer unvollständigen Polymerisation. Solche Überlegungen sind wohl auch ein Grund, warum viele Fachbehörden nicht in die Kassandrarufe der Aktivisten miteinstimmen. Relativ einheitlich fallen die Ergebnisse zumindest bei den eher unscheinbaren Teebeuteln aus – was aber nicht ausschließt, dass Slip-Additive oder Oligomere dazwischengeraten sind, die genauso kritisch zu betrachten wären. Beim Aufbrühen sollen nach verschiedenen Analysen Millionen, ja Milliarden Mikropartikel plus Milliarden Nanoteilchen in die Tasse gelangen. Bei Nylonbeuteln läpperte sich die freigesetzte Partikelmenge gar zu einem Milligramm pro Tasse. Wahrscheinlich Folge der weichen, elastischen und flauschigen Teebeutel, im Gegensatz zu den glatten Oberflächen von Plastikbechern, die viel weniger Teilchen abgeben. Wer will, kann alternativ zu Teebeuteln aus Papier greifen. Die sind gar nicht so einfach zu erkennen, denn Plastik wird so bearbeitet, dass es sich wie Zellstoff anfühlt. Sollte es sich tatsächlich um Cellulo-se handeln, dann wurde sie mit Plastik imprägniert: Ohne Schutzfilm würde sie sich nach Überbrühen mit kochendem Wasser wie Klopapier auflösen. So geraten bei Cellulosebeuteln ebenfalls Milliarden Nanopartikel in die Tasse. Wer mag, darf sich ängstigen oder sich vorstellen wie unvorstellbar klein die Partikel sein müssen, wenn sie allesamt in eine Tasse passen und man sieht sie nicht mal. „Bioplastik“ aus Polymilchsäure ist keine Alternative. Der Ausgangsstoff Milchsäure wird meist aus Stärke oder Zucker von gentechnisch optimierten Bakterien und Schimmelpilzen erzeugt. Daraus wird mit den Methoden der Plastikproduktion Polymilchsäure synthetisiert. Die Folge für den Teetrinker: eine Million Kleinteilchen pro Beutel. Aus dem Bioplastik können sich auch beliebte Kunststoff-Additive wie Tris(2,4-di-tert-butylphenyl)phosphit lösen. Phytopharmakologen werden ihr weises Haupt schütteln, denn für sie stehen die vielen Pflanzengifte im Vordergrund, die schon in Tees gefunden wurden. Zu Recht: Man denke nur an die exorbitanten Belastungen von Rooibos mit Pyrrolizidinen. Im Süden Afrikas wurden ähnlich aussehende Giftpflanzen mitgeerntet und bei uns als Rooibostee verkauft. Viele Anbauflächen des Rotbusches waren mit Greiskräutern geradezu verseucht. Pyrrolizidine zerlegen die Leber wie ein Uhrwerk. Im Vergleich dazu ist das Mikroplastik nur Pillepalle. Inzwischen sollte der Teehandel das Problem beherrschen; es ist nur ein Beispiel. Nun halten sich Vernünftige in der Regel von Kräutertees fern, egal in welchen Tütchen das vertrock-nete und geschredderte Unkraut baumelt; Teebeutel gelten ihnen als „Drecksäcke“, die nach einem heißen Bad kurzerhand weggeworfen werden. Statt das warme „Badewasser“ aus feinem Pozellan zu nippen, greifen Durstige lieber zum Krug mit kühlem Bier. Doch auch darin schwimmt Mikroplastik. Es gelangt z.B. über Zusatzstoffe hinein wie Polyvinylpolypyrrolidon, kurz PVPP. Ein Kunststoffgranulat das Brauer nutzen, damit ihre Reinheitsgebots-Flüssigkeit haltbar wird. PVPP bindet Gerbstoffe und Polyphenole. Schlussendlich wird bis auf winzige Restbestände alles wieder abfiltriert – daher auch keine Deklaration. Während es in einem Tässchen Kräutelbeuteltee von Chemie nur so wurlt, sind es bei einem Pils vom Fass allenfalls ein paar Dutzend Partikelchen. Doch Bier ist nicht gleich Bier. Und was die Partikel wirklich sind, weiß keiner so genau. Denn bei einer üblichen Analysenmethode wird PVPP gerade nicht erkannt. Analytiker vermuten, dass sogar eine Verwechselung mit Kieselgur vorliegt, das im Rahmen der Anschwemmfiltration verwendet wurde. Ansonsten wird Bier mit Filterkerzen blankfiltriert, um Bakterien und Hefezellen zu entfernen. Dabei werden je nach Brauerei Schwebstoffe, die größer sind als 3 Mikrometer, auf jeden Fall ab 10 Mikrometer, abgetrennt. So kommt das Bier weitgehend frei von Mikropartikeln in die Flasche. Die Hefe, die der Kunde sieht, ist meist eine nachträglich zudosierte und mausetote „Schauhefe“. Schließlich fischen unsere Brauer gern im „Naturtrüben“. Das eigentliche Partikelproblem verdankt der zünftige Zecher einer anderen Ursache. Hier gab das Mineralwasser den Analytikern erste Hinweise. In Wasserflaschen fand sich wider Erwarten regelmäßig Mikroplastik. Detaillierte Analysen zeigten, dass es z.B. von den Schraubverschlüssen bzw. den Kronkorken stammte. Eine bayerische Untersuchung fand in Mineralwasser in Einwegplastik 3.000 Partikel pro Liter. Bei Glas waren 10.000 Partikel keine Seltenheit. In Mehrwegflaschen sah es zappenduster aus: Hunderttausende Partikel pro Liter. Die aber zählen nicht als Mikroplastik, sondern als Pigment. Ursache waren Etiketten aus recyceltem Papier. Die hatten jede Menge Pigmentpartikel im Waschwasser hinterlassen und die klebten nun in den Flaschen. Für den Konsumenten macht das allerdings keinen sonderlichen Unterschied ob Mikroplastik oder Mikropigmente. Aber wenn nicht mehr gründlich gespült wird, bekommt die Brauerei wenigstens gute Noten beim Öko-Audit, denn sie spart Wasser. Ob sich das Zeug ebenfalls im Oberstübchen sammelt, ist zwar anzunehmen, aber bisher unerforscht. Die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit bestätigt, dass Glasflaschen am stärksten belastet seien. Plastikflaschen schnitten besser ab. Dosen waren angeblich weitgehend frei von Mikroplastik. Was scheinbar logisch klingt, ist deshalb bemerkenswert, weil Dosen in der Regel innen mit Kunststoff ausgekleidet sind: „Viele verschiedene Beschichtungen für Dosen sind im Handel erhältlich, … z. B. Mittel zur Erhöhung der Oberflächengleitfähigkeit sowie der Abrieb- und Kratzfestigkeit von Dosenbeschichtungen, Schmiermittel, Antischaummittel, Klebstoffe, Scavenger für Salzsäure und Pigmente.“ Lassen wir uns überraschen, was da noch alles gefunden wird. Bei Plastikflaschen trägt die Kohlensäure zur Kontamination bei. Wenn die winzigen Bläschen platzen, setzen sie durch Kavitation an der Flaschenwand feinste Partikel frei. Um eine Vorstellung von der Kraft der Kavitation zu bekommen: Sie zersetzt sogar Schiffsschrauben. Durch deren Drehung entsteht an den Innenseiten der Schraubenflügel Unterdruck, dieser erzeugt Bläschen, welche wiederum das Metall angreifen. In Getränkeflaschen verstärkt der Druck in der Flasche den Effekt. Bei Mehrweg nehmen die Brüche mit jeder Befüllung zu. Wir sehen, es geht bei diesen Themen ziemlich spitzfindig zu. Vergessen Sie bitte nicht: Kohlensäure ist ein Konservierungsmittel. Sie unterdrückt Keime. Das dient unserer Gesundheit. Ganz sicher! Einem Internet-Narrativ zufolge sollen „ultraverarbeitete“ Lebensmittel ultraviel Plastik enthalten. Fast Food sei komplett durchseucht. Wer‘s glaubt, möge sich an den Rand eines Weizenfeldes stellen, um das unverfälschte Korn vom Halm weg zu naschen. Allerdings sind die Halme vor dem Reinbeißen gründlich zu waschen: Weil voller Staub, voller Mikropartikel, wie man bei der Ernte an der Staubwolke des Mähdreschers sehen kann. Da ist unvermeidlich auch Mikroplastik bei. Brot kann angesichts der durchgreifenden Verarbeitungsschritte in Müllerei und Bäckerei durchaus als ultraver-arbeitet gelten. Übrigens: Unser Vollkornmehl ist nach den Worten der Mühlen ihr am stärksten verarbeitetes Produkt. Vollkornbrot ist oft was anderes, als Gesundheitsumnachtete wähnen. In dieser abgedrehten Szene gilt frisches Obst und Gemüse als die Alternative. Forscher in Catania auf Sizilien wollen in den Erzeugnissen des Landes reichlich Partikel um die 1 bis 2 µm nachgewiesen haben. Also schon nahe an der Grenze zum Nanopartikel. Am meisten fanden sie in Äpfeln mit etwa 200.000 Partikeln pro Gramm. Generell enthielt Obst mehr Fundstücke als Gemüse. Hier wurden vor allem Karotten genannt, aber auch Brokkoli und Kopfsalat. Der Studie wurde zurecht mit Skepsis begegnet, auch weil die Autoren nicht verraten, was sie denn nun genau für Material erwischt haben. Das wäre wichtig, um ihre Ergebnisse einordnen zu können. Doch längst ist bekannt, dass Partikel aller Art, inclusive Keime über das Beregnungswasser in Pflanzen gelangen – sowohl über die Wurzeln als auch über die Blätter. Vielleicht stammt das Wasser ja aus Abwasserkanälen, in ariden Landstrichen naheliegend. In Armutsregionen werden für Gemüsefelder und Obstplantagen auch ungeklärte Abwässer aus Krankenhäusern genutzt, weil darin reichlich Düngestoffe schwimmen. Im Grunde reicht aber schon die Verwendung von heimischem Klärschlamm. Da ist aller Scheißdreck drin. Der Händler kann guten Gewissens versichern, sein Gemüse sei ohne Kunstdünger gediehen. Das Mikroplastik ist dann das geringste Problem. In einer türkischen Studie kam etwas völlig anderes als in Sizilien heraus: Tomaten enthielten maximal 44 Partikel pro Gramm, gefolgt von Gurken mit 43. Fast gleichauf lagen Birnen und Äpfel. Dabei hatten die Analytiker sich nicht nur auf die größeren Objekte im Mikrometerbereich kapriziert. Immerhin handelte es sich diesmal definitiv um Plastik. Was stimmt denn nun? Die sizilianischen oder die türkischen Analysen? Beide können genauso gut richtig wie falsch sein. Wer sich solche Ergebnisse zu sehr zu Herzen nimmt und auf Obst verzichtet, wird sich bald von Laborchemikalien ernähren müssen, nur die sind besonders rein. Vergessen wir dabei nicht, dass Plastikverpackungen bei Obst und Gemüse die Haltbarkeit deutlich verlängern, so dass wesentlich weniger weggeworfen wird als bei unverpackter Ware. Das entlastet die Umwelt. Da war aber noch was, dessen sich die Angstpropaganda bemächtigt hat: Der Meeresfisch. Er sei zusammen mit Meeresfrüchten der Hauptpfad der Belastung. Das Meer soll ja geradezu in Mikroplastik ertrinken. Allein im Nordatlantik würden bereits zigmillionen Tonnen an Nano-Winzlingen dümpeln. In Muscheln seien schon bis zu 10.000 Partikel pro Kilo drin. Zunächst: Muscheln leben vom Dreck. Sie lieben nahrhaftes Wasser. Da ist in Küstennähe neben anderem Schmodder auch von Sonne und Wellenschlag zerbröseltes Plastikzeug oder pulverisierte Hummerschalen dazwischen. Muschelbänke reinigen das Meer. Eine einzige Miesmuschel filtert pro Stunde bis zu zwei Liter. Ist das Wasser gehaltvoll, dann ist sie schon nach zwei Jahren erntereif. Zuchtbetriebe wässern ihre Muscheln nach der Ernte in sogenannten nassen Lagerhäusern: In Salzwasserbecken reinigen sich die Muscheln selbst. Durch diese Depuration schwinden auch die Gehalte an Mikroplastik. Beim Gemüse funktioniert diese Technik leider nicht. Entscheidend ist: Die Mikropartikel sitzen fast alle im Darm und in den Kiemen – und die isst man in der Regel nicht mit. Das Fleisch der Muschel ist somit okay, gleiches gilt für Shrimps. Um bei Meeresfisch überhaupt was zu finden, werden statt der Filets bevorzugt die Innereien analysiert. Das Thüneninstitut in Bremerhaven identifizierte im Gedärm von Klieschen aus der Nordsee dennoch nur wenige Mikropartikel. Die Gehalte im Fischfleisch gelten generell als „vernachlässigbar“. Wenn, dann findet man vor allem Textilfasern, die zumindest teilweise den Berufskitteln des Personals geschuldet sind. Damit ist das Fleisch der Meerestiere mit Blick auf Mikroplastik ein eher sauberes Lebensmittel. Das belegen auch Stuhlanalysen bei indonesischen Fischern. Wäre an der Mikroplastik-Kampagne was dran, dann müsste gerade bei ihnen die Belastung besonders hoch sein. In knapp der Hälfte der Proben fand man überhaupt nichts. Die vor Ort analysierten Fische, Muscheln und Shrimps waren frei von Mikropartikeln. Stattdessen entpuppten sich Trinkwasser und Tempeh aus Soja als Plastikquellen. Bei Menschen aus Industrieländern hingegen wird im Dickdarm reichlich Mikroplastik angetroffen. Oft Zehnmal soviel wie in anderen Organen. Da der Darmtrakt seit Urzeiten mit vielen unerwünschten Substanzen fertig werden muss, egal ob sekundäre Pflanzenstoffe, Schimmelsporen oder Bazillen, erneuert er ständig sein Zellkleid. Damit entledigt er sich vieler schädlicher Substanzen. Folglich wird auch das meiste Mikroplastik über die Fäzes ausgeschieden. Im Schnitt enthielt ein Kilo an die 2.000 Partikel von 50 bis 500 µm. Größere Partikel waren die Ausnahme. Kein Wunder: Niemand verzehrt Plastikkrümel, die Auge oder Zunge erkennen. Eine neuere Untersuchung aus Wien fand im Schnitt an die 4.000 Partikel pro Kilo. Kot lässt sich nur schlecht übers Gewicht definieren: Die einen machen harte Dreckerl, die anderen seilen butterweiche Vierpfünder ab - je nachdem, wieviel Wasser das Colon aus den Fäzes zurückgewonnen hat. Die Wiener Forscher versuchten sogar, den Zusammenhang zwischen Ernährung und Ausscheidung zu beleuchten. Die Probanden aßen zunächst wie gewohnt, dann bewusst plastikarm und schließlich gezielt mit viel Plastik. Bei Verzicht kam es nur zu einer Verschiebung der Plastikarten in den Fäzes, es wurde nicht weniger. Aber wenn sie besonders viel Kunststoff benutzten, dann halbierte sich die Anzahl der Partikel beinahe. Soviel zum Kenntnisstand der Fachwelt. Trotz der kleinen Gruppe von 15 Probanden teilen die Forscher keine Durchschnittswerte mit, sondern nur den Median. Keck behaupten sie, man könne erkennen, dass der Verarbeitungsgrad eine wichtige Rolle spiele. Irrtum, hier spielt nur der Verarschungsgrad eine Rolle. Aufschlussreich ist der Hinweis der Autoren, am häufigsten hätten sie nicht Partikel, sondern Fasern gefunden: „Dies deutet darauf hin, dass die Mehrzahl der Fasern aus Textilien (Polyestertextilien) stammen könnte.“ Wie wahr! Zum Glück ist heute die meiste Ware in Plastik verpackt, um sie vor Kontamination zu schützen. Vermutlich stammten die Fasern aus „Heimtextilien“: Beim Abtrocknen blieben sie am Geschirr haften. Das finden die Forscher dann in den Fäzes und raten zu einer „plastikarmen Ernährung“. Bleibt die Frage: Wo kommt dann das viele Plastik im Gehirn her - vorausgesetzt, die Daten stimmen? Ein bisher unbeachteter Aufnahmepfad wäre die Haut. Sie soll zwar vor körperfremden Substanzen schützen, aber viele ZeitgenossInnen sind ganz aus dem Häuschen, wenn es gelingt, mit teuren Cremes allerlei Zusätze in tiefere Regionen zu schleusen, ohne zu realisieren, dass damit über kurz oder lang auch der Kreislauf und in der Folge das Oberstübchen der Kundschaft in den Genuss ungewöhnlicher Nanopartikel geraten könnte. Nicht zu vergessen die Lunge. Eine wichtige Quelle sind Atemschutzmasken: „Der erhöhte Verbrauch von Masken während der COVID-19-Pandemie hat den Kontakt des Menschen mit Mikroplastik dramatisch erhöht“, konstatiert eine Studie. Der pulmonale Lymphfluss ermöglicht den Übergang von Nanopartikeln aus dem Interstitium in den Blutkreislauf. Aber auf dem Weg in die Lunge gibt’s noch eine Direktverbindung ins Gehirn: Der Riechnerv. In der Tat fand man das gleiche Material wie im Hirn Verstorbener auch im Riechnerv. Er ist wie ein Transportband, das Stäube, Metallpartikel und Viren aus der Nase ins Riechhirn schleust. Dies ist seit Jahrzehnten in vielfältiger Weise belegt. Sogar ein amöbenartiger Parasit namens Naegleria fowleri gelangt so ins Oberstübchen. Nicht ohne Grund ist bei vielen neurologischen Leiden das Riechhirn geschädigt. Als Zufuhrpfad hat unser Riechorgan wahrscheinlich die Nase vorn. Das legt auch die Studie nahe, die das viele Plastik in Gehirnen fand: Die Zahl der Partikel lag fast um eine Zehnerpotenz höher als in Niere und Leber! Weiter spricht für diese Deutung, dass die aufgefundenen Plastikteilchen kleiner als ein Mikrometer waren, also Nanopartikel, was einen Transport durch den Nerv begünstigt. In der Leber wurden nicht nur viel weniger, sondern auch deutlich größere Partikel gefunden. Diese stammen wohl eher aus der Nahrung. Das meiste Plastik enthielt das Hirn von Demenzpatienten. Bei denen ist gewöhnlich nicht der Darm malade, sondern das Riechhirn. Damit rückt die Atemluft als Partikellieferant in den Focus. Sie bietet ein reiches Sortiment an Pollen, Sporen, Abgasen, Ruß und Stäuben, insbesondere der Abrieb von Straßenmarkierungen und Reifen. Reifen enthalten als Elastomer nicht nur Kunststoffe wie Styrol-Butadien, sondern auch Natur-Latex. Letzteres kann aufgrund seines Gehaltes an Chitinasen Allergien gegen Obst auslösen. Nylon verstärkt den Reifen, Harze und Phthalate dienen als Weichmacher, Silikate und Silane sorgen für besseren Grip. Dazu kommen Vulkanisierhilfen wie Schwefel und Zinkoxid, und als Alterungsschutz starke Antioxidantien. Im Hirn von Verstorbenen deutet der Gehalt an Styrol-Butadien-Kautschuk darauf hin, dass der Reifenabrieb bereits angekommen ist. In meiner Kindheit fuhren an heißen Tagen Sprühwägen durch die Straßen, um den Staub zu binden oder mit Kehrfahrzeugen zu entfernen. Ein klassischer Fall von Prävention. Doch anstatt die Straßen sauber zu halten, studieren sie heute lieber Diesel-Abgaspartikel. Dazu spritzen Forscher Abgasstaub, also Mikropartikel trächtigen Mäusen in die Schwanzvene. Wochen später testen Verhaltensforscher aufgeregt den männlichen Nachwuchs. Was lernt uns diese Nonsense-Tierquälerei? Etwa, dass Präventionsmediziner ihren Schwanz nicht bei laufendem Motor in den Auspuff stecken sollten, um keine weiteren Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln? Die Zufuhr von Partikeln über die Nase ist wohl der Königsweg ins Hirn. Doch darüber hört man wenig, während es beim Essen von Mikroplastik-Experten nur so wimmelt. Vielleicht liegt es ja daran, dass es bis heute keine Schnüffel- und Schnupper-Berater gibt, aber Heerscharen von ErnährungsberaterInnen, die zu anspruchsvollen Themen auch eine Meinung haben. Das Wort „Mikroplastik“ ist in gesundheitlicher Hinsicht ebenso unbrauchbar wie „Feinstaub“. Wichtig ist nicht nur die Größe, bzw. Kleinheit, sondern auch die Zusammensetzung. Salzhaltige Luft an der See gilt als heilsam, bei feinen Metallstäuben in der Werkstatt sieht das schon anders aus. Alles Material unterliegt der Zersetzung. Alles wird in der Natur abgebaut, bis hinunter zu feinsten Stäuben und Nanopartikeln. Alles zerbröselt, ob altes Mauerwerk, Plastik oder tote Fliegen. Alles kann jederzeit in unseren Körper gelangen. Wir sind von Staub umgeben und inhalieren ihn mit jedem Atemzug. Wir schlucken ihn mit jeder Mahlzeit mit. Egal ob Straßenstaub, Hausstaub oder Mehlstaub. Egal ob Bakterien, Viren oder Pilzsporen. Unser Körper ist seit Urzeiten auf diese Gaben eingestellt, er muss damit umgehen können. Es ist aber anzunehmen, dass sich unter den Stäuben, den Mikro- und Nanopartikeln seit jeher auch Strukturen verbergen, die unser Körper nicht so ohne weiteres entsorgen kann. So können Candida-Sporen Infektionen durch Persorption verursachen. Doch viele fürchten sich lieber vor „Plastik“. Das klingt bedrohlicher, weil „künstlich“ im Vergleich zu „natürlichem“ Holzstaub. Dummerweise gilt der Staub von Harthölzern offiziell als krebserregend für Nase und Hals. Ein klein wenig Staub dürfte dann wohl auch unvermeidlich ins Hirn gelangen. Wer keine Plastiktüten mag, kann seine Einkäufe auch in Jutesäckchen nach Hause tragen. Was wird aus Jute, wenn sie weggeworfen wird? Mikrojute – was denn sonst? Jute ist zwar „biologisch abbaubar“, was aber kein Vorteil gegenüber Plastik ist. Sie eignet sich nur für wenige Anwendungen und verfault schnell. Nach ihrer Gewinnung wird sie in Mineralöl getaucht. Erst mit einer PVC-Beschichtung verträgt Jute Feuchtigkeit. Sie ist aufgrund ihrer miserablen Haltbarkeit im Vergleich zu Plastik ein Symbol der Wegwerfgesellschaft. Nicht anders bei Baumwolltaschen: Sie müssen laut Naturschutzbund Deutschland mindestens 100-mal so oft wie Kunststofftüten genutzt werden, um in der „Klimabilanz“ zumindest theoretisch gleichzuziehen. Auch Plastik korrodiert, was seine Identifizierung als Mikroplastik erschwert. Seine Verwitterung dauert nur länger als bei Jute oder Baumwolle. Alle Materialen liefern erst Mikro- und dann Nanoteilchen, die einen schneller, die anderen langsamer. Es gibt keine „Ewigkeitschemikalien“. Wie angeblich biologisch nichtabbaubares Mikroplastik entgegen der Propaganda abgebaut wird, siehe die „Brotzeit“ vom 11. Mai 2018: „Als das Meer im Plastik ersoff“. Trotz der Messprobleme und der Zweifel an den Studien ein paar Hinweise für Ängstliche: Wer Kleinteile im Hirn vermeiden will, minimiert nicht unbedingt Plastik in der Küche, sondern seinen Konsum von Körnern und Müsli, denn nirgendwo sonst liegen mehr persorbierbare Partikel vor. Auch wenn Stärke nach etwa einem halben Jahr abgebaut ist, verursacht sie Embolien im Hirn. Hier geht es vor allem um die Menge, die mit einer einzigen Mahlzeit anflutet: 100 Gramm Stärke im Müsli sind eine ganz andere Hausnummer, als ein paar Mikrogramm Mikropartikel in Import-Äpfeln, die noch dazu mehrheitlich wieder ausgeschieden werden. Der Vernünftige meidet kalorienreduzierte Produkte. Sie enthalten oft Füllstoffe wie mikrokristalline Cellulose, oder zu winzigen Kügelchen verpresste Eiweiße, die gern in „fettarmen“ Desserts eingesetzt werden. Mikropartikulierte Fettersatzstoffe werden auch aus Mais- oder Kartoffelstärke gewonnen. Auch hier liegt eine Persorption auf der Hand, für mikrokristalline Cellulose ist sie durch Tierversuche hinreichend belegt. Wer eine unnötige Belastung der Umwelt mit Mikroplastik vermeiden will, wäscht seine Klamotten erst, wenn sie schmutzig sind. Nicht etwa Plastikflaschen oder Plastiktüten, sondern Waschmaschinen sind die größten Partikelschleudern. Es sind hauptsächlich Baumwollfasern, gefolgt von Polyamid- und Polyesterfasern. Die Baumwollfasern wurden, um das gefühlte Bedrohungspotential zu verstärken, von „Aktivisten“ gern als „Mikroplastik“ gezählt. Längst dient die häusliche Wäscherei nicht mehr der Hygiene. Im Gegenteil, unsere Waschmaschinen heizen meist nur noch auf 37 bis 40°, auch dann, wenn 60° angewählt wird. Damit werden Krankheitskeime optimal bebrütet. Wer auch noch Wasser spart, imprägniert seine optisch saubere Wäsche mit fragwürdigen Keimen. Der Vernünftige verwendet Wasch- und Reinigungsmittel besonnen: In der Kläranlage bildet sich aus Waschmittelzusätzen Glyphosat, wie Tübinger Forscher kürzlich nachwiesen. Auf dem Acker ist es genau umgekehrt. Dort wird aus Glyphosat ein Waschmittel namens AMPA. Die Belastung unserer Flüsse mit Glyphosat korreliert nicht mit den Aktivitäten der Landwirte, sondern mit den Einleitungen der Kläranlagen. Sie hängt vom Treiben putz- und waschbegeisterter Haushalte ab, und weniger von der Arbeit des Landmanns, wenn er unser Essen produziert. Textilien werden mit Kunststoff imprägniert, damit sie wasserabstoßend sind, nicht knittern, UV-resistent oder „atmungsaktiv“. So generiert beispielsweise das populäre Polytetrafluorethylen beim Waschen Millionen von Mikropartikeln. Auf der anderen Seite ließe sich durch Behandlung von Polyamidfasern mit Substanzen wie Glycidylmethacrylat der Verlust an Mikrofasern beim Waschen um 90 % reduzieren. Gleiches leistet 3-Aminopropyltriethoxysilan bei Polyesterfasern. Es mag paradox klingen: Aber mit intelligenter Chemie lässt sich das Mikroplastik minimieren. Die „biologische Abbaubarkeit“ war früher ein großes Problem. Die Chemie schuf Materialien, die haltbar sind, die nicht reißen oder zerbrechen, die nicht verschimmeln, die nicht von Motten oder Mäusen zerstört werden. Auch Kunststoffe sind nicht für die Ewigkeit geschaffen. Textilien aus Polyester oder Nylon gehen kaputt – aber sie halten länger als unbehandelte Naturfasern „ohne Chemie“. Da die Haltbarkeit den Absatzwünschen der Industrie im Wege stand, stattete sie ihre Waren mit Sollbruchstellen aus. Nylonstrümpfe sind an sich unverwüstlich. Also wurde die Faser mit Schwachstellen versehen, damit es Laufmaschen gibt. Heute sind viele Produkte auf Zerfall programmiert. Die Forderung nach biologischer Abbaubarkeit soll den Neukauf abermals beflügeln.